Nadine Caprez: von Finanzen, Familie & Firmenstarts.

Nadine Caprez hat viele Hüte auf. Der Hut der Co-Geschäftsführerin einer Non-Profit-Organisation. Den der CFO in der gemeinsamen Firma mit ihrem Mann,  jener der Selbständigen mit ihrer eigenen Beratungsfirma, der einer Verwaltungsrätin und natürlich noch jener einer Dreifachmutter. «Wie zum Teufel?», fragten wir sie unter anderem. «Ach, ich mache einfach mal», antwortete sie uns.
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Nadine Caprez lebt gemeinsam mit ihrem Mann Simon, ihren drei Jungs Curdin (7), Gian Cla (9), Andri (11) und Andris Fischen am Zürichsee.
nadinecaprez.ch
mikrokredite.ch
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Text: Tadah
Bild: Vanessa Bachmann

Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit unseren Partnern von

Als Nadine Caprez die Türe öffnet, erwarten wir in ihrer Garderobe tausend Hüte. Die der Geschäftsfrauen, die der Mutter. Dort hängen aber Outdoorjacken und ein dreckiger Fleece. Sympathisch. Sie bittet uns herein in ein grosses älteres Haus, dessen unteren Teil sie mit ihrer Familie zu fünft bewohnt. Man spürt die fünf in diesem Daheim. Noch sympathischer.

Nadine, Du bist langjährige Unternehmerin, Verwaltungsrätin, Start-up Beraterin und zu guter Letzt Mutter dreier Jungs. Was ist anstrengender?
Mutter zu sein ist definitiv anspruchsvoller und anstrengender. Denn bei den Kindern, der Schule, dem Sport gibt es immer wieder Veränderungen und das braucht dann immer wieder «Aufwärmzeit». Deshalb ist die Zeit nach den Sommerferien bis zu den Herbstferien auch jene, die ich nicht so mag. Zwei meiner Buben haben jetzt beispielsweise neue Lehrpersonen, neue Klassen und neue Gspändli. Wir Eltern sind dann als Zuhörerin und Zuhörer noch mehr gefragt. Es braucht Zeit, bis sich alle wieder eingegroovt haben.

 

Und im Beruf?
Bei meinen anderen Jobs, können sie noch so turbulent sein, schöpfe ich Energie. Besonders, wenn etwas gelöst, abgeschlossen, geschafft ist. Daheim habe ich diesen «Geschafft»-Moment ja nicht so wirklich. Es sind die alltäglichen Sorgen der Familie, die für mich irgendwie nahrhafter sind als die Themen meiner Firmen. Sie gehen mir näher, beschäftigen mich länger.

Speaking of: Als Co-Geschäftsführerin bei GO! Mikrokredite und in Deiner eigenen Beratungsfirma beschäftigst Du Dich vor allem mit Zahlen. 
Zahlen faszinieren mich überhaupt nicht. Das Dahinter ist das Faszinierende. Die Finanzierung als grosses Ganzes. Wenn ich mit jemandem ein Firmenbudget erstelle, dann frage ich nicht nach den Zahlen. Ich frag dann nur: Wie? Wann? Wieso? Ich bin Sparringpartnerin und schärfe das Geschäftsmodell. Oft geht es darum, Dinge auf den Punkt zu bringen, zu hinterfragen, auf Risiken hinzuweisen.

Also keine Budgets zu wälzen?
Die Zahlen sind doch nur ein Abbild, um das Ganze einfacher darzustellen. Am Ende sind es zusammengezogene Annahmen – daraus entsteht ein Budget, also eine aggregierte Form der angenommen zukünftigen Wirklichkeit. Und die Wirklichkeit ist das Spannende.
Wenn ich Bilanzen, Erfolgsrechnungen analysiere, dann immer mit den Inhaber*innen der Firmen zusammen. Die Zahlen alleine muss ich deuten, hinterfragen. Warum gab es da einen Umsatzeinbruch? Welche Massnahmen wurden dann eingeleitet? Diese Gespräche sind wichtig. Mein Ziel ist es, dann schnell das Wichtigste zu verstehen, zu analysieren und mit Fachwissen zu helfen.

«Über die Zahlen machen wir nur den Einstieg in das viel spannendere Thema.»

Wo andere Berührungsängste in Sachen Finanzen haben, hast Du keine?

Nein, Berührungsängste habe ich tatsächlich keinerlei. Im Gegenteil: Man schaut gemeinsam in die Zukunft, begutachtet die Annahmen, die getroffen wurden und die Auswertung des Vergangenen. Aus Zahlen kann ich manche Dinge herauslesen, aber bei Weitem nicht alles. Ich muss mit den Firmeninhaber:innen, den Start-ups sprechen, damit ich ein vollständiges Bild habe.

Was, denkst Du, hält so viele Frauen davon ab, sich dem Thema Finanzen anzunehmen? Sich dort ein Bild zu machen?
Viele stecken den Kopf in den Sand, um keine unangenehmen Überraschungen zu erleben. Aber bei den Zahlen – seien sie privat oder von der eigenen Firma – genau hinzuschauen, daraus können schöne Aha-Effekte resultieren. Ich erlebe das mit meinen Kundinnen und Kunden immer wieder. Und oft höre ich auch, dass sie durch meine Fragen zu ihren Zahlen, also zu ihrem Marketing, Lohnkosten und anderem, die Herausforderung ihrer Geschäftsmodelle besser verstehen. Über die Zahlen machen wir nur den Einstieg in das viel spannendere Thema: das Schärfen und Optimieren des Geschäftsmodells.

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Was fasziniert Dich so an der Arbeit mit Selbständigen und Start-ups?

Es ist wie die Atmosphäre am Flughafen: Kurz vor der Abreise in die Ferien. Nur, dass es keine Ferien sind und die Reise ziemlich lange dauert. Aber zwischendurch kommt immer wieder dieses Hoch, diese Atmosphäre hervor: Du weisst nicht genau, wie es wird, was Dich erwartet und welche Hochgefühle oder Pannen auf Dich zukommen. Das ist grossartig. Und diese Herausforderungen zu lösen ist dann – zumindest für mich – schon fast wie Ferien.

Was ist denn Deine Rolle in der Non-Profit-Organisation genau?
GO! Mikrokredite wurde vor 13 Jahren als Verein gegründet. Ich hatte das Glück als erste Geschäftsführerin angestellt zu werden. Mit dem zweiten Kind habe ich mich dann für eine CO-Geschäftsführung entschieden. Ich teile mir nun also den Chefposten mit jemandem, damit ich auch daheim präsent sein kann.

Dein Mann auch?
Mein Mann arbeitet 100%. Er wollte eigentlich reduzieren beim ersten Kind. Das klappte dann nicht. Oder er wollte es nicht. Es war nicht nur einfach, dieses Rollenbild von der Frau Zuhause und dem Mann, der so weitermacht wie bis anhin, hinzunehmen. Er hatte seine eigene Firma. Sein Baby. Es gelang ihm damals nicht, loszulassen.

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«Wäre ein anderes Modell einfacher gewesen? Ich weiss es nicht. Aber es ist auch egal.»

Dir gelang das Loslassen schon?
Ich denke, Hormone spielen da auch eine grosse Rolle. Vor der Schwangerschaft ist nicht nach der Schwangerschaft. Dass ich meinen Herzensjob so stark reduzierte und beim Kind sein wollte, war schlicht und einfach auch einfach ein emotionaler Entscheid.

Ich hatte in den Jahren zuvor auch sehr viel gearbeitet. Wir haben unsere Firma aufgebaut, ich habe GO! aufgebaut. Diese Auszeit mit Andri war auch eine Art Luftholen für mich. Zumindest dachte ich das vor der Geburt. War es wirklich stressfreier, 50% zu arbeiten und 50% zu Hause zu sein? Oder wäre ein anderes Modell einfacher gewesen? Ich weiss es nicht. Aber es ist auch egal.

Auf diese Weise habe ich auf jeden Fall mein spannendes Jobportfolio auf- und ausgebaut und bin da, wo ich jetzt bin. Ich habe immer Neues gestartet, wenn ich Lust auf was Neues hatte. Bei einer 80% Anstellung wäre das nicht möglich gewesen. Ich hätte mir eine andere Stelle suchen müssen.

Du machst also bereits seit elf Jahren Topsharing.
Genau. Dass dies möglich war, ist natürlich auch der Grund, weshalb ich noch immer dort bin. Nebst dem coolen Businessmodell natürlich. GO! Mikrokredite wird finanziert von der Stadt und dem Kanton Zürich, unsere Partnerin ist die Zürcher Kantonalbank. Wir sprechen Mikrokredite bis CHF 40’000  – diese Kredite erhalten Personen, die selbständig sind oder sich selbständig machen wollen. Mittlerweile haben wir schon bald 450 Firmenstarts ermöglicht.

Deine Beraterintätigkeit geht über GO! hinaus. Was unterscheidet die selbständige Nadine von der Geschäftsführerin Nadine?
Bei der Non-Profit-Organisation GO! sprechen wir Personen mit knappem Budget an. Wir sind überzeugt, dass man mit einer guten Idee und der richtigen Person auch ohne eigene Mittel eine Selbständigkeit aufbauen kann. Hier sind wir die «Ermöglicher». Die allermeisten unserer über 450 Kreditnehmenden hätten von einer Bank keinen Kredit für ihre Idee bekommen.

«Ich bin gerne ein Anker in der Not und die Ermöglicherin von guten Ideen.»

Und die Bank kriegt Ihr Geld zurück?
Ja. Unsere Arbeit ist ein Erfolg, denn über 97% aller Kredite werden auch wieder zurückbezahlt. Der Co-Geschäftsführer und ich wickeln hier die Beratungen ab – vom Erstkontakt bis zur Kreditzusage. Ich arbeite über zwei bis drei Wochen eng mit den Antragstellenden zusammen, um an ihrer Geschäftsidee zu feilen und einen guten Start zu ermöglichen. Ich sehe mich als Sparringpartnerin für ganz kurze Zeit, mit dem Ziel, möglichst schnell eine Kreditauszahlung zu realisieren. Danach übernehmen Mentoren die Begleitung unserer Kreditnehmenden und ich habe nur noch in Krisensituationen mit ihnen zu tun.

Und bei Deiner eigenen Firma?
Hier begleite ich KMUs, Start-ups und Selbständige, die schon etabliert sind oder finanzielle Mittel haben. Kurz: Sie benötigen keine Non-Profit-Unterstützung. Die Themen sind breit gefächert und nicht nur auf die Finanzierung gelegt. Hier bin ich meist eine enge Sparringpartnerin der Inhaberin oder des Inhabers.

Wo soll die Reise beruflich hingehen?
Mein Ziel ist es immer, Dinge zu ermöglichen. In meinem Fall Firmenstarts. Und in Notsituationen wie beispielsweise bei Liquiditätsengpässen zu helfen. Für viele Firmen und Start-ups ist das nach wie vor die grösste Herausforderung. Ich bin gerne ein Anker in der Not und die Ermöglicherin von guten Ideen.

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Und was möchtest Du noch erreichen privat?Privat bin ich nicht am Ziele Erreichen. Ich möchte einfach im Alltag ein erfülltes Leben führen. Mit meiner Grossmutter, die 93 Jahre alt ist, konnte ich diesen Herbst eine Woche verreisen. Solche Erlebnisse von den Ferien noch mehr in den Alltag zu bringen, daran arbeite ich. Ist nicht immer einfach, bei all den Dingen, die es zu erledigen gilt, aber genau das ist es, was ich möchte.

Was sind deine Ängste als Mutter?
Ich bin kein ängstlicher Mensch. Auch als Mutter nicht. Generell denke ich: Was sie nicht umbringt, macht sie stärker. Manchmal muss ich mir das aber schon auch wieder selbst sagen. Zum Beispiel, wenn meine Jungs völlig durchnässt nach der Pfadi 30 Minuten lang in der Kälte nach Hause laufen. Höchstens der Strassenverkehr, der macht mir manchmal Sorgen.

Zufriedenheit strahlt Ruhe aus, könnte es das sein?

Du wirkst so ruhig, liebe Nadine. Bist du es auch?
Ich bin grundsätzlich zufrieden und im Reinen mit mir. Glücklich, dass der Zufall mich mit meinem Mann zusammengebracht hat, wir seit 20 Jahren zusammen sind, drei gesunde tolle Jungs haben und sich das Leben gut anfühlt. Zufriedenheit strahlt Ruhe aus, könnte es das sein?

Wahrscheinlich.
Ich kann impulsiv sein. Und ich setze mich ein, wenn ich etwas nicht in Ordnung finde. Ich habe durchaus eine Meinung und mache nicht nur was «man» macht. Das lebe ich aus einer inneren Überzeugung und da plagen mich nur selten Zweifel.

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Wo struggelst Du als teilzeitarbeitende Mutter?
Termine, Termine, Termine und dem damit zusammenhängenden Mental Load.

Eine gute Planung alleine reicht nicht, um den Alltag zu managen! Es braucht ein gutes Umfeld, den richtigen Partner, gesunde Kinder, tolle Grosseltern, den Neni, Nachbarn und immer wieder auch wahnsinnig viel Energie.

Hast du davon genug?
Vom Umfeld: ja. Das Energie-Auftanken kommt jedoch regelmässig zu kurz. Beziehungsweise: Dort mach ich als erstes Abstriche.

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Was sind Deine drei wichtigsten Finanztipps für unsere Leser:innen?
1. Selbständige, macht ein Jahresbudget.
2. Bilde dich weiter.
3. Besitze kein Auto, wenn du es nicht täglich zwingend brauchst.

 

Was sind Deine drei wichtigsten Finanztipps für unsere Leser:innen?
1. Investiere in Deine Ausbildung, das kann Dir niemand klauen.
2. Such Dir eine Ausbildung in einem Bereich, welches Deinem Wesen, Deinen Kompetenzen entspricht. Dann wirst Du damit glücklich.
3. Spare, solange Du keine Familie hast.