Mom2Mom: Simone Bodenmann-Heim.

 In unserer Artikel-Reihe «Mom2Mom» gibt eine Mutter der nächsten das Wort. Gestartet sind wir in Zürich, dann ging die Reise vom Bündnerland über das Fürstentum Liechtenstein und den Walensee wieder zurück nach Zürich – zu Simone. Sie ist Psychotherapeutin und hat einen kleinen Sohn. Simone war von Beginn an eher realistisch in ihren Vorstellungen von Vereinbarkeit und hat die Selbstansprüche im Berufsalltag angepasst.

frau-muetze-strauch-gruener-hintergrund-manchesterbluse

Simone Bodenmann-Heim lebt mit Partner und ihrem Sohn (2 Jahre) in Zürich. Sie arbeitet im 50%-Pensum als Psychotherapeutin mit dem Schwerpunkt Peripartalzeit an einem Spital. Etwa zu 10% ist sie selbständig erwerbstätig und bietet Online-Therapie an.

Tadah: Wie hat sich Dein Leben verändert, als Du Mutter wurdest?
Durch meinen Sohn kam eine grosse neue Rolle in mein Leben und die anderen Rollen mussten etwas Platz machen. Ich nehme deshalb viele Dinge heute gelassener als früher. Gleichzeitig haben das alltägliche Planen, die Aufgaben im Haushalt und der vielbeschriebene «Mental Load» gefühlt exponentiell zugenommen.

Findest Du Elternratgeber wertvoll? Und wenn ja, welche?
Die Pro Juventute Elternbriefe sind einfach zugänglich und verständlich, deshalb finde ich sie grossartig. Zudem lohnt es sich häufig, einfach einen Klassiker im Bücherregal zu haben, welcher unnötiges Googeln verhindert. Dafür empfehle ich immer «Babyjahre» von Remo Largo.

Welchen Ratschlag würdest Du einer Mutter geben, die ihr erstes Kind erwartet?
Insgesamt sind Ratschläge in dieser Phase ja eher etwas schwierig. Auf dem Weg zur Mutterschaft werden sehr viele Anpassungsleistungen benötigt und je nachdem, wo man sich gerade im Prozess befindet, sind andere Ängste oder Themen präsent. Am ehesten würde ich versuchen, rauszuhören, wo sich diese Mutter gerade befindet und ihr dort ein offenes Ohr anbieten.

Wann und warum wusstest Du, dass der Vater Deiner Kinder der Vater Deiner Kinder werden wird?
Als ich ihn im Umgang mit seinen Nichten und Neffen beobachtete.

«Ich kann und sollte nicht die alleinige Verantwortung übernehmen, wenn das Privileg von einem «Dorf» verfügbar ist.»

Hast Du je gedacht: Das schaff ich nicht? Und wenn ja, in welcher Situation? Und wie hast Du sie gemeistert?
Nein, glücklicherweise ist dies noch nie vorgekommen. Es gab und gibt sicherlich immer wieder Situationen, in welchen ich denke es alleine nicht mehr zu schaffen, da hilft mir aber immer wieder der Gedanke «it takes a village to raise a child». Das erinnert mich daran, dass ich nicht die alleinige Verantwortung übernehmen kann und dies auch nicht sollte, wenn das Privileg von einem «Dorf» verfügbar ist.

Hast Du manchmal ein schlechtes Gewissen Deinem Kind gegenüber?
Ja, immer wieder. Diese Gefühle gehören jedoch dazu und es ist wohl eine Aufgabe innerhalb der Elternrolle, immer mal wieder zu prüfen, woher diese kommen und wann sie angemessen sind und wann nicht.

Darf man als Mutter lügen? Und wenn ja, wann und wieso?

Da Kinder die Normen und Regeln unserer Welt erst erlernen, können sie häufig besser mit der Wahrheit umgehen als wir Erwachsenen. Ich glaube in vielen Fällen schützen wir unsere Kinder zu Unrecht vor unangenehmen Themen. Es gibt aber sicherlich Situationen, in welchen nicht alle Zusammenhänge mitgeteilt werden müssen.

Euer Lieblingskinderbuch?
Aktuell sind bei uns Wimmelbücher mit vielen Baustellen hoch im Kurs.

Wie sieht ein idealer Tag mit Deinem Kind aus?
Wir sind einmal draussen, wir machen gemeinsam Haushalt, wir kochen oder basteln etwas, wir treffen Freund:innen mit anderen Kindern, das Kind macht noch Mittagsschlaf, und ich kann in dieser Zeit etwas für mich erledigen. Ideal ist das deswegen auch, weil wohl fast nie alles in einem Tag Platz hat.

Wie einer «dieser» Tage?

Anstrengend sind einfach die Tage, an denen das Kind oder ich mit dem falschen Fuss aufgestanden sind.

Welche Charaktereigenschaften soll Dein Kind von Dir haben?
Ich würde mich freuen, wenn mein Sohn ebenso wissbegierig ist.

Wofür gibst Du am meisten Geld aus?
Am ehesten für die Miete.

Wie ähnlich bist Du Deiner eigenen Mutter?
In der Erziehung ziemlich ähnlich, ich habe viele Werte meiner Mutter übernommen.

Was inspiriert Dich?
Neue Umgebungen, Gespräche mit Menschen mit anderen Lebensentwürfen.

Was macht Dich nervös?

Zu viel Unerledigtes.

Wie und wo tankst Du für den nächsten Tag Energie?

Ich glaube mit genügend Schlaf ist schon sehr viel getan. Darüber hinaus gibt alles Energie, was die Routine und die Planerei etwas durchbricht. Besuch von Freund:innen zum Znacht, eine Wanderung am Wochenende oder ein Kulturanlass in der Stadt. 

«Ich war eher realistisch in meinen Vorstellungen von Vereinbarkeit.»

Hat sich Deine Einstellung zu Deiner Karriere geändert, seit Du Mutter bist?
Nein. Ich habe mich schon früh mit Karrieremöglichkeiten in meinem Beruf auseinandergesetzt und war eher realistisch in meinen Vorstellungen von Vereinbarkeit. Was sich verändert hat, sind meine Selbstansprüche im Berufsalltag.

«Vereinbarkeit heisst in den meisten Fällen, dass eine Person zwingend reduziert oder flexibel arbeiten muss. Diese Person verzichtet dann auch auf Beförderungen etc.»

Findest Du, man kann in der Schweiz Familie und Beruf gut unter einen Hut bringen? 
Nein, die Vereinbarkeit ist noch nicht dort wo sie sein soll. Wie einfach es ist, Erwerbsarbeit und Familie unter einen Hut zu bringen, hängt in hohem Mass von der Flexibilität der Tätigkeit, der Haltung der Arbeitgebenden und der finanziellen Situation der Eltern ab. Beispielsweise sind Arbeitswochen und Urlaubstage nicht auf Schul- oder Kindergartenzeiten abgestimmt. Geht es um Karriere, dann bedeutet dies bei zwei Elternteilen in den meisten Fällen, dass eine Person zwingend reduziert oder flexibel arbeiten muss. Diese Person verzichtet dann auch auf Beförderungen etc., weil diese häufig nicht mit einem niedrigen Pensum machbar sind. Das ist frustrierend.

Was fehlt? Was müsste Deiner Meinung nach anders sein?
Ich glaube, es würde sehr helfen, wenn dieses «it takes a village» gesellschaftlich grösser gedacht würde. Aktuell versuchen viele Familien für sich das Rad neu zu erfinden, das kostet Kraft und häufig leidet auch die Beziehungszufriedenheit. Es wäre aus meiner Sicht viel einfacher auf politischer Ebene gleiche Bedingungen zu schaffen. Konkret würde ich beispielsweise die Elternzeit begrüssen.

Welcher Mutter möchtest Du das Wort übergeben und wieso?
Ich möchte das Wort Petra Baumann, Mutter von zwei Kindern und Lehrerin, übergeben. Es inspiriert mich immer wieder, wie es ihr gelingt, ihren Kindern und Schüler:innen mit Geduld und auf Augenhöhe zu begegnen. 

Hier geht es zum letzten Mom2Mom-Interview mit Viola Cadruvi.