Erfahrungen und Learnings von Jobsharing-Teams / Part 1.

65%

Jobsharing hat in der Schweiz klar zugenommen. Gemäss einer Umfrage von Advance und dem CCDI für den aktuellen Gender Intelligence Report mit 100+ mehrheitlich grossen Firmen, sind es gemäss Selbst-Deklaration 65%, die Jobsharing anbieten. Klar, dass wir für Euch alle Vorteile nochmals auflisten. Und Euch hier fortan zusätzlich mit den Learnings und Erfahrungen derjenigen versorgen, die bereits erfolgreich im Jobsharing arbeiten. Den Anfang machen zwei Frauen, die sich ihren Management-Job 50:50 teilen.

Diese Beiträge entstanden in Kooperation mit unseren Partnerinnen von

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Klar geht Karriere und Kind. Wenn…

Theoretisch könnten wir unsere Kinder bis fünf Tage die Woche tagsüber in die Betreuung geben und uns voll und ganz auf unsere Karriere konzentrieren. Wir sehen die Kinder nur am Abend und an den Wochenenden, natürlich in den Ferien. Geht. Wir Frauen können ganz unproblematisch das Karriereleiterli hochklettern. So wie unsere Männer. Das einzige Problem: Das wollen viele von uns nicht. Ja, man könnte gar behaupten, dieses Nichtwollen ist ein Problem von Schweizer Frauen.

 

Ob es nun ein Stigma der Gesellschaft ist oder ein innerer Wunsch, die Kindheit unserer Kinder mit einer gewissen Präsenz mitzuerleben, sei dahingestellt und soll auch in keinster Weise gewertet werden.

Wie behalten wir die Frauen in der Wirtschaft? Und zwar in Top-Positionen?
Denn Fakt ist: Wir haben zu wenig Frauen in der Politik, in Führungspositionen und in Verwaltungsräten, als CEOs, in der Teppichetage.

Hat eine Mutter zu wenig Kapazität für eine Führungsposition, dann braucht es halt zwei Mütter.

Ein guter Anfang: Gute Rahmenbedingungen für die Kinderbetreuung. Und Jobsharing. Hat eine Mutter zu wenig Kapazität für eine Führungsposition, dann braucht es halt zwei Mütter.

Fast ebenso wichtig: Vollzeit und physische Präsenz nicht mehr als Voraussetzungen einer typisch schweizerischen Karriere anzusehen. Mehr darüber lest Ihr hier.

Angela Feubli und Eliane Weiss, Jobsharing der Category Managerin Feinbackwaren

Angela arbeitet 50% und hat ein Kind, Eliane arbeitet ebenfalls 50% und hat zwei Kinder. Beide teilen sich den Job der Category Managerin Feinbackwaren bei der Migros.

Hättet Ihr ohne Jobsharing solch eine Position inne in Eurer jetzigen Lebenssituation?
Mit einem 50% Pensum wohl kaum, dafür hätten wir mindestens 80% arbeiten müssen.

Wie fest trägt das Jobsharing dazu bei, vereinbarender leben zu können?
Das Jobsharing ist für uns der Schlüssel zum Erfolg für die Vereinbarkeit. Konkret: An arbeitsfreien Tagen ist der Computer ausgeschaltet und die Gedanken drehen nicht ums Business. Denn wir haben an den freien Tagen das Vertrauen und die Gewissheit, dass die Jobsharing-Partnerin präsent ist und die Arbeit gut macht.

Wie ausbalanciert ist Eure Work-Life-Balance tatsächlich?

Wir arbeiten daran, besser zu werden. Sowohl im Business als auch zuhause gibt es Peaks, also Phasen, die besonders anstrengend sind. Das ist oft nicht planbar und man muss flexibel und belastbar sein. Da wir nun aber schon drei Jahre im Duo unterwegs sind, kennen wir uns und unsere Möglichkeiten und die gegenseitigen Stärken und Schwächen immer besser, sodass sich auch vom Workload her anstrengende Perioden immer besser abfedern lassen. Kurzum: Ein gut funktionierendes Jobsharing erleichtert die Work-Life-Balance.

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Wie organisiert Ihr Euch in Eurem Jobsharing?​

1—Standard-Tools zur Kommunikation

Grundsätzlich arbeiten wir mit den Standard-Tools wie E-Mails, MS OneNote und MS Teams. Zu viele Tools würden unseren Alltag erschweren. Wir kommunizieren meistens über E-Mail oder MS Teams, da wir praktisch keine überschneidenden Tage haben. Nur der Donnerstagmorgen, welcher aber meistens mit Meetings besetzt ist.

2—Effizienz und Pragmatismus is key

Unser Kredo ist, möglichst effizient und pragmatisch zu sein ohne uns gegenseitig mit Absprachen und Updates zu beschäftigen und trotzdem sicherzustellen, dass wir die relevanten Infos weitergeben. Darin liegt die grosse Kunst des Jobsharings. Wir sind nicht bis ins Detail organisiert – das wäre im Tandem unmöglich.

3—Agilität

Agilität ist eine Grundvoraussetzung. Wir haben einerseits Fachgebiete, in denen eine von uns das Heft in der Hand hat, wo wir klar trennen. Beispielsweise haben wir fix zugeteilte Sortimente, die wir jeweils eigenständig betreuen. Es gibt aber auch viele Aufgaben oder Themen, bei denen wir uns Woche um Woche organisieren.

4—First come, first serve

Diejenige, die gerade arbeitet, nimmt sich dem Thema an, das an diesem Tag auf den Tisch kommt. Da wir uns mittlerweile gut kennen, wissen wir aber auch, wo unsere Stärken liegen. Zum Beispiel ist Eliane in den Themen der Nachhaltigkeit besser informiert, weil sie auch die entsprechenden Sortimente betreut. Angela wiederum ist im Thema Aktion stärker engagiert. Es liegt also auf der Hand, dass wir uns jeweils um diese Themen kümmern, ohne dass wir uns die Aufträge hin- und herschieben.

5—Gesunder Menschenverstand und anpacken

Vieles ist intuitiv, mit der Zeit entstanden. Das Beste ist, einfach auch den gesunden Menschenverstand walten zu lassen. Zu schade für eine Arbeit sind wir uns beide nie – das ist zentral.

Die 4 wichtigsten Vorteile von Jobsharing für Arbeitgeber:

1

—«Verdopplung» des Wissens: Der Arbeitgeber erhält zwei spezialisierte Mitarbeitende respektive Führungskräfte zum Preis von einer/einem

2

Durchgehende Präsenz: Job-/Topsharing gewährleistet in vielen Fällen eine hundertprozentige Präsenz im Unternehmen

3

—Leichtere Stellvertretung: Die Vertretung der/des Tandempartner:in bei Ausfällen stellt eine kontinuierliche Arbeit sicher.

4

—Erhöhung der Loyalität gegenüber dem Unternehmen: Wer im Job zufrieden ist, kündigt seltener.

«Wir erachten Jobsharing als einen smarten pragmatischen Ansatz, um gut qualifizierten Frauen und notabene auch Männern während der Rushhour des Lebens eine attraktive Möglichkeit zu bieten, den berüchtigten Karriereknick zu vermeiden. Sobald die Kinder selbständig sind, wollen viele ihr Pensum wieder erhöhen. Da die Karriere nicht unterbrochen wurde, steht einem weiteren beruflichen Aufstieg nichts im Weg. Voraussetzung fürs Gelingen sind gutes Matching, transparente Kommunikation und effiziente Absprachen sowie eine glasklare Definition, wer wofür verantwortlich zeichnet.»