Stillend zurück als CEO – wie geht das, Angelika Morant?

Angelika ist CEO und Neo-Mami ihrer 6 Monate alten Tochter Rhea. Nach 15 Wochen Mutterschaftsurlaub ist Angelika wieder als CEO am Start in einem 80%-Pensum. Sie hat sich fest vorgenommen, den Arbeitsstress nicht an Rhea ranzulassen. Geht das soweit? Und wie geht es ihr in ihrer neuen Rolle als Mama, kombiniert mit ihrer alten Rolle als CEO?

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Angelika Morant ist CEO von Stripped Pizza. Sie lebt mit ihrem Partner Fabian und ihrer Tochter Rhea (6 Monate) im Aargau.
stripped-pizza.com

Text: Tadah
Photos: Vanessa Bachmann

Dies Beitrag entstand in Kooperation mit unseren Partner:innen von

Tadah: Du bist  CEO von Stripped Pizza, liebe Angelika. Machen wir doch gleich den ersten Striptease: Wie geht es Dir – back to business, stillend mit Kind?

Grundsätzlich ist es gut. Ich bin 80% zurück und habe mich auch darauf gefreut. Bei Stripped Pizza sind wir ein sehr kleines Team. Ich hätte für mich keine richtige Stellvertretung organisieren können, die das alles länger als 15 Wochen abfedert. Operative Themen, wie Buchhaltung, die habe ich übergeben, aber gewisse Dinge, die hängen einfach an mir. Deshalb war es auch meine Entscheidung, ziemlich schnell wieder zurückzukommen.

Die Betreuung funktioniert bis jetzt auch gut. Fabian und ich arbeiten beide 80%, Rhea ist zwei Tage bei Tadah in der Kita, ein Tag ist Fabian daheim, einer ich und einen Tag decken unsere Eltern alternierend ab. Zu diesen entsteht nun eine enge Bindung, was ich sehr schön finde.

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«Ich muss lernen, es auszuhalten, wenn mal etwas zwei oder drei Tage liegenbleibt.»

Klingt nach einer gut orchestrierten Organisation. Aber auch wenn alles soweit gut aufgeht und klappt: Ein Baby verändert schon auch den Berufsalltag. Oder?

Ich stille noch. Das braucht Zeit. Zeit, die ich mir gerne nehme. Aber es macht mich nicht gerade effizienter. Zudem braucht es Organisation bezüglich Meetings und vor allem Abwesenheitszeiten. Wie gesagt: Das ist okay. Das möchte ich so. Trotz allem ist es für mich manchmal eine Challenge, denn ich muss nun viel mehr priorisieren als früher.

Früher, da habe ich mich halt am Abend noch hingesetzt und habe meine Liste abgearbeitet. Diese Abendstunden, die fehlen momentan auch. Neben dem Priorisieren muss ich auch lernen, es auszuhalten, wenn etwas mal zwei oder drei Tage liegenbleibt.

Das Mamasein hat mich auch gelehrt, den eigenen Anspruch runterzufahren. Das entspricht leider nicht immer meinem Wert «Ich bin total verlässlich», denn jetzt geht nicht mehr alles zackzack.

Und man muss auch aushalten, die Tage, an denen man daheim ist, nicht konstant abrufbar zu sein, richtig?

Das ist schwierig. Aber ich habe mir fest vorgenommen, den täglichen Arbeitsstress nicht an Rhea ranzulassen und nicht immer am Handy zu sein. Was aber natürlich nicht immer ganz gelingt.

Die 80%-Lüge?

Momentan bin ich mehr präsent. Es ist sicher auch nicht ganz einfach in meiner Funktion, die Stunden zu zählen. Aber Fakt ist auch: Wenn ich bei und mit Rhea bin, kann ich nicht arbeiten. Es geht schlicht nicht. Was ich aber auch schon gemacht habe, ist, Rhea an einen Termin mitzunehmen, wenn es unabdingbar war und der Termin auf meinen Mama-Tag fiel.

«Schlussendlich möchte ich es schaffen, dass mein Arbeitsumfeld nicht nur mein Arbeits-Ich sieht, sondern mein ganzes Ich. Und mein Kind, das ist jetzt auch ein Teil davon. »

Ist das die klassische Work-Life-Integration?

Ja, wahrscheinlich ist diese Bezeichnung ziemlich treffend. Aber, wie auch immer man es nennen möchte, schlussendlich möchte ich es schaffen, dass mein Arbeitsumfeld nicht nur mein Arbeits-Ich sieht, sondern mein ganzes Ich. Und mein Kind, das ist jetzt auch ein Teil davon. Umgekehrt ist meine Arbeit auch ein grosser Teil von mir und dringt weit in alle Ebenen des «Life» vor.

Wir haben bei Stripped Pizza Restaurants eine Garderobe oder ein Büro, wo man abpumpen oder stillen kann. Es ist nicht wirklich ein Ort, an dem man Ruhe hat. Würde jemand aus dem Team schwanger, dann würde ich mich dafür einsetzen, entsprechende Räumlichkeiten so einzurichten, dass man sich wohl fühlt.

 

Ich für meinen Teil habe das grosse Glück, dass ich nicht dauernd abpumpen muss, ich arbeite zwei Tage die Woche im Coworking Space mit flexibler Kinderbetreuung und kann Rhea jeweils stillen gehen. An Fabians Tag bin ich im Home Office und kann dort stillen. Und wenn die Grosseltern schauen, pumpe ich für einen Schoppen ab, stille morgens und bin um ca. 15 Uhr wieder daheim. 

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Apropos stillen: Hast Du mit Deinem Posten bei Stripped Pizza Deinen Drang nach Selbstverwirklichung gestillt?

Ich liebe alles rund um Lebensmittel – deshalb habe ich an der ETH auch Lebensmittelwissenschaften studiert. In der Gastronomie ist man noch einen Schritt näher dran an allem –  nah am Lebensmittel und nah am Gast. Ich kann mich mit der Philosophie, möglichst unverarbeitete, ehrliche Lebensmittel ohne Zusatzstoffe zu nutzen, total identifizieren. Anfangs war ich in operativer Rolle bei Stripped Pizza angestellt. Da das Unternehmen schnell wuchs, musste man die Prozesse entsprechend definieren, es gab anfangs beispielsweise noch keine Putzpläne, keine Rezepte etc.

Es lief also nicht von Beginn weg alles wie geschmiert?

Oh nein. Es war zu Beginn wirklich etwas chaotisch, und es gab viel Arbeit. Aber wir hatten viele Learnings, und es ging dann aufwärts. Ich übernahm immer mehr Verantwortung und als die Stripped-Gründerin vor sechs Jahren Mama wurde, wurde ich offiziell Leiterin respektive CEO.

Und das Schöne an meinem Job: In dieser Funktion kann ich die Zusammenarbeit und die Kultur aktiv prägen.

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«Die Corona-Zeit wäre viel zu stressig gewesen, um Mutter zu werden.»

Trotz Traumjob hast Du Dich dann aktiv für eine Familie entschieden.

Kinder waren schon etwas länger ein Thema. Aber die Corona-Zeit war für uns, wie wohl für fast jedes Gastro-Unternehmen, sehr stressig und fordernd. Während dieser Zeit hätte ich das Muttersein in Kombination mit diesem Job nicht stemmen können.

Und Du wurdest Frau für alles?
Vor Corona hatten wir sechs Restaurants mit sechs Leuten im Management – je jemand für das Marketing, die operative Leitung, die Finanzen, die Schulungen, das HR und die Leitung des ganzen Unternehmens. Dieses Setup war jenes, das für zehn Restaurants geplant war. Da wir in der Corona-Zeit Restaurants schliessen mussten, hatten wir einen zu grossen Overhead. Wir mussten also leider Leute entlassen. Und deren Arbeit musste jemand machen – das war grösstenteils ich.

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Nicht einfach…
Es war sehr emotional. In dieser Zeit habe ich auch privat ein Coaching in Anspruch genommen. Als sich dann alles wieder beruhigte, kam auch das Thema Kinder wieder auf den Tisch.

 

Und Du wurdest schwanger. Ich hatte und habe schon Respekt vor den Aufgaben, welche dieser Job mit sich bringt und jenen, die das Mamasein birgt. Aber irgendwie bin ich zuversichtlich. Ich habe so ein Urvertrauen, dass wir das können und schaffen und ansonsten einen Weg finden.

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«Eine gewisse Präsenz ist jedoch unabdingbar in dieser Position. Da müssen wir gar nicht drumherum reden.»

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Kind und Karriere – es geht also auf für Dich?

Im Moment geht es auf, und es ist eine Bereicherung, ja. Es ist schon streng, es war auch vorher schon streng. Was schwieriger ist, ist, die Zeit für mich selbst zu finden. Ich habe früher beispielsweise viel Fachliteratur gelesen – diese Zeit fehlt mir momentan komplett.

Ja, die liebe Zeit…
Nicht mal 10 Minuten Yoga am Tag schaffe ich. Geschweige denn, Geburtskarten zu schreiben oder mal längere Textnachrichten. Und was auch fehlt und ich vermisse, ist die Paarzeit.

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Bist Du für Frauen ein Vorbild, ein Role-Model, liebe Angelika?

Hm, ich finde es schwierig, mich so zu bezeichnen. Was ich mir wünsche, ist, dass es mit diesen 80% aufgeht – für mich und für unsere kleine Familie. Daheim und im Geschäft. Dass ich aufzeigen kann, dass man für eine leitende Position nicht 140% arbeiten muss.

Eine gewisse Präsenz ist jedoch unabdingbar in dieser Position. Da müssen wir gar nicht drumherum reden. Ich mache mir aber auch weiterführend die Gedanken: Wie können wir es schaffen, dass alle Stellen in unserem Unternehmen um die 80% möglich wären? Oder, wie können wir im Restaurant, wenn es zum Thema wird, geeignetere Abpump-Orte schaffen – welche zur Zeit ehrlicherweise so nicht vorhanden sind.

Zudem möchte ich, wie bereits erwähnt, es irgendwie schaffen, dass ich und damit auch das Team nicht nur das Arbeits-Ich zeigen können, sondern das ganze Ich.

«Wenn die Zeit mit Deinem Kind die Alternative ist, dann muss die Arbeit schon stimmen und sinnvoll sein.»
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Das ist eine schöne Vision. Gibt es weitere für Stripped Pizza?

Ja. Ich möchte einen Brand und einen Ort schaffen, dem die Gäste zu 100% vertrauen und wo sie sich wohl fühlen. Und, ich möchte ein Unternehmen mitprägen mit einer möglichst ehrlichen, vertrauensvollen, herzlichen, neugierigen und engagierten Unternehmenskultur, in dem Menschen gerne arbeiten und sich weiterentwickeln können.

Die Vision ist, dass diese Werte zu einem organischen und nachhaltigen Wachstum führen.

Es ist wohl das, was sich am meisten verändert hat für mich, seit ich Mutter bin: Wenn die Zeit mit Deinem Kind die Alternative ist, dann muss die Arbeit schon stimmen und sinnvoll sein.

Die Arbeit und das Mamasein zu vereinen, wird einem nicht immer leicht gemacht.

Der Mutterschutz in der Schweiz ist 14 Wochen. Versus die von der WHO empfohlenen sechs Monate, die eine Frau stillen sollte – das geht nicht auf. Man soll wieder voll funktionieren, ist aber jede Nacht wach. Und, ich spreche hier nur von den ersten Monaten als Mama.

Was macht Dich glücklich?
Wenn Rhea laut lacht. Wenn ich mit Fabian einen Film oder eine spannende Serie schaue. Wenn ich meine Freundinnen treffe oder die ganze Familie zusammenkommt. Wenn ich am Sonntagmorgen Zeitung lese und Kaffee trinke. Wenn wir draussen in der Natur sind und wir die Zeit vergessen können. Und, wenn wir neue Pizzas entwickeln.

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«Rhea ist genug gut. Egal was ist und egal was kommt.»

Was möchtest Du Deinem Kind mit auf den Weg geben?

Dass wir sie lieben und dass sie genug gut ist, egal was ist und kommt. Sie soll hoffentlich mit diesem Urvertrauen in die Welt gehen. Damit sie sich einsetzen kann für sich und das, was ihr guttut – hoffentlich besser, als ich es kann oder konnte. Rhea soll möglichst ohne äussere Erwartungen ihren Weg gehen. Vor allem als Mädchen.

Angelikas wichtigste Tipps für stillende Frauen in Führungspositionen:

1. Offen ansprechen, um Verständnis zu schaffen und Missverständnisse, wie zum Beispiel angepasste Meetingzeiten, zu vermeiden.

2. (wenn möglich) Flexible Arbeitszeiten sowie Home Office anfragen respektive einfordern: so kann auf das Bedürfnis des Kindes eingegangen oder in Ruhe abgepumpt und die Arbeit trotzdem erledigt werden.


3. Bei längeren Ausser-Haus-Terminen oder Events das Baby angekündigt auch einfach mal mitnehmen, wenn es das Baby zulässt. Solange man nicht mehrere Stunden total ruhig sein muss, geht es mit etwas Planung meist besser als erwartet und man trifft auf Wohlwollen.

 
4. Die Nähe zum Baby und flexibel jederzeit stillen zu können, hat mir den Wiedereinstieg sehr erleichtert.