… Mediennutzung.

Face it: Mobiltelefon, Tablet und Co. gehören mittlerweile zu unserem täglichen Leben – auch zu unserem Familienleben.

Das passt nicht allen – Eltern oft am allerwenigsten, auch wenn sie selber nur ungern ihre Augen vom Bildschirm lösen. Wie also könnten mögliche Strategien für ein analogeres Familienleben aussehen?

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Bo Reichlin ist Kommunikations- und Medienwissenschafterin, Dozentin in frühkindlicher Medienbildung sowie Mutter von drei Kindern.
boreichlin.ch

Du bist pädagogische Beraterin für Medien. Also Anlaufstelle für ratsuchende Eltern, die nicht wollen, dass ihr Kind so auf dem Mobiltelefon herumtippt, wie sie selbst nämlich zu viel. Richtig?
Ich unterstütze Lehrpersonen an der Volksschule, damit diese fit werden in Sachen Medien und Informatik. Mein zweiter Schwerpunkt: Ich engagiere mich für Medienerziehung im frühen Kindesalter – diese Verantwortung darf man nicht nur auf die Schule übertragen. Wenn es um Medien geht, müssen Kinder schon in den ersten Lebensjahren eine Menge Erfahrungen bewältigen. Damit sie diese einordnen, durchschauen und reflektieren können, braucht es die Unterstützung von Erwachsenen. Viele Eltern sind diesbezüglich verunsichert. Und genau diese Elterngruppe erreiche ich an Elternabenden in Kitas, Elternforen und Frauenvereinen.

Worum geht es an diesen Elternabenden konkret?
Nicht nur um Risiken und Panikmache. Eine informierte Gelassenheit ist die beste Stütze in der Medienerziehung. Leider kann man ja nicht schnell bei der eigenen Mutter nachfragen, wie man den Umgang mit Medien und der Familie denn gestalten soll. Eltern sollen ihr bestehendes Wissen und ihre eigene Erfahrung nutzen können. Nebst den gängigen Fragen nach geeigneten Serien, Spielen, Hörbüchern, Social Media oder Apps geht es auch darum, über das eigene Medienverhalten nachzudenken.

«Wer das eigene Verhalten reflektiert, merkt oft selbst, dass das Handy vielleicht etwas gar oft in Gebrauch ist. Die Dosis macht das Gift.»

Also ganz getreu dem Prinzip: Sagt das Mami Scheisse, sagt es das Kind auch. Nimmt das Mami oder der Papi ständig das Smartphone zur Hand, kaum piept’s, lernt das Kind, dass das Gerät wichtiger ist als Essen, Zähneputzen, Kinderlieder singen. Sind wir also alles schlechte Eltern und Vorbilder?


Eltern sind immer Vorbilder für ihre Kinder. Je jünger das Kind, desto mehr wird es sich daran orientieren und es als normal erachten, was Mama und Papa tun. Wer das eigene Freizeitverhalten reflektiert und sich über die eigene Mediennutzung Gedanken macht, merkt oft selbst, dass das Handy vielleicht etwas gar oft in Gebrauch ist. Die Dosis macht das Gift. Wenn das Kind sich dadurch angewöhnt, sich mit Medien zu trösten oder jede freie Minute mit Medien zu füllen, dann geht das auf Kosten anderer Tätigkeiten wie Basteln, Spielen, Freunde treffen, Klettern, Rennen etc.

Ab wann darf man ein Kind überhaupt vor einen Screen setzen?
Eines vorab: Wenn kleine Kinder nicht fernsehen, am Tablet wischen oder am Computer gamen, verpassen sie ganz bestimmt nichts. Wenn sie etwas älter sind oder zwischendurch mal etwas altersgerechtes mit den Medien machen oder diese konsumieren, dann ist das ganz okay. Eine Faustregel ist die 3-6-9-12 Empfehlung: Kein Bildschirm unter 3 Jahren, keine eigene Spielkonsole vor 6, kein Internet vor 9 und kein unbeaufsichtigtes Internet vor 12.

Jetzt zur Realität: Ganz viele Familien können diese Regel aus den verschiedensten Gründen in ihrem Alltag nicht umsetzen. Ich empfehle Eltern grundsätzlich, ihre Kinder zu begleiten, um herauszuspüren, ob die Auswahl der App, des Filmes oder des Spiels auch geeignet war. Ein guter Tipp: Nach der vereinbarten Zeit kann man sein Kind das Gerät selbst abstellen lassen. So lernt es gleich von Anfang an den Medienumgang.

Was, wie lange und wann darf das Kind denn schauen?
Wenn sich Eltern diese Fragen stellen, dann freut es mich sehr. Das zeigt schon, dass sie sich mit dem Medienkonsum ihrer Kinder auseinandersetzen.

Zum was: Hier stütze ich mich gerne auf geprüfte Seiten, die a) ihre Kriterien offenlegen und b) bei denen Fachleute Bewertungen vornehmen.

Zum wie lange: Ein Kind bis fünf Jahre sollte nicht länger als eine halbe Stunde schauen – die meisten Sendungen und Formate dauern für diese Zielgruppe sowieso nicht länger.

Zum wann: Ganz bestimmt nicht unmittelbar vor der Schlafenszeit. Und immer so, dass genügend Zeit bleibt, um darüber zu sprechen, was das Kind gesehen hat. Ein weiterer Tipp: Einen Fernsehstundenplan mit dem Kind erstellen – so lernt es, das wöchentliche Fernsehen selbst einzuteilen.

Hand aufs Herz: Viele Eltern belohnen/bestrafen ihre Kinder mit dem Zugang zu elektronischen Medien. Wie laut schrillen da Deine Alarmglocken?
Natürlich ist es sehr leicht, das Kind mit solchen Druckmitteln zu steuern. Kurzfristig hat man damit vielleicht sogar Erfolg. Jedoch räumen wir dann den Medien von Anfang an einen viel zu grossen Stellenwert ein. Ein immer wiederkehrendes Fernsehverbot ist bei Fehlverhalten nicht logisch.

«Als guter roter Faden eignet sich der Medienvertrag, den beide Parteien, Eltern und Kind also, unterzeichnen.»

Das Kind wird älter, der Medienkonsum nimmt zu. Ab wann darf ein Kind Apps nutzen? Und welche empfiehlst Du?
Lernapps zum Teil schon ab dem Kindergarten. Natürlich kommt es auf den Inhalt an – die Angebote ändern ja rasant. Auch hier gibt es vertrauensvolle Portale, auf denen man gemeinsam mit dem Kind Apps auswählen und das Angebot kritisch prüfen kann.

Wenn Teenies herumsuchen, haben wir oft keinen Plan wo. Wie kann man das verhindern?
Ich glaube, da werden es Eltern, die ihre Kinder von Anfang an begleitet haben, einfacher haben. Erstens kennen ihre Kinder die Chancen, aber auch die Schattenseiten des Netzes und sind somit etwas sicherer unterwegs. Und zweitens ist man als Eltern relativ «nah» an der digitalisierten Welt des Teenagers und hat während der Jahre ein gegenseitiges Vertrauen und Verständnis aufbauen können.

Steht man jedoch mitten im Dilemma, dann sind viele Gespräche notwendig. Als guter roter Faden eignet sich dafür der Medienvertrag, den beide Parteien, Eltern und Kind also, unterzeichnen. Die Regeln sind damit nicht nur gut begründet, sondern müssen auch gemeinsam gelebt werden. Nur so können die Kinder diese Regeln auch nachvollziehen und sich daran halten.

 

Die Privatsphäre von Teenagern: Darf man deren Telefone kontrollieren?
Mit steigendem Alter geht Vertrauen vor Kontrolle, hoffe ich. Es ist zwar wichtig, dass wir Eltern während der Teenagerzeit für unsere Kinder da sind und bleiben und das Gespräch suchen. Aber wir müssen uns auch raushalten können. Zieht sich das Kind jedoch über längere Zeit zurück und man befürchtet, dass Cybermobbing, -grooming, -sexting bestehen könnten, dann würde ich auf alle Fälle den Teenager auf das Bauchgefühl der Eltern ansprechen und mit dem Kind ZUSAMMEN das Handy screenen. Und falls nötig, professionelle Hilfe holen.

Wieder zurück zu uns selbst: Was ist das Fazit? Sollten wir alle ein wenig digital-detoxen?
Bei der Medienerziehung werden Eltern mit der Thematik konfrontiert und müssen sich damit auseinandersetzen. Ob ein Digital-Detox notwendig ist, muss jede*r für sich entscheiden. Wichtig ist aber, dass wir uns unserer Rolle als Vorbild bewusst sind und mit gutem Beispiel vorangehen.

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