Zahlen & Zitate: Nur 4% aller 2022 beförderten Mitarbeitenden arbeiten unter 80%.
4%
Vollzeit und physische Präsenz – das ist die Norm respektive sind die Voraussetzungen einer typisch schweizerischen Karriere. Befördert wird nur, wer mindestens 80% arbeitet. Laut aktuellem Gender Intelligence Report arbeiten lediglich 4% aller 2022 beförderten Frauen oder Männer unter 80%. Das aktuelle Karrieremodell ist somit noch in den 50ern steckengeblieben. And guess what: Diese Denkweise ist einer der Hauptgründe, weshalb 2030 bis zu 400’000 Stellen offen bleiben könnten. Wir brauchen ein radikales Umdenken, liebe Unternehmen.
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Wenn Unternehmen keine 100%-Pensen als Voraussetzung für eine Karriere verlangen würden, hätte die Schweiz hunderttausende sogenannte Vollzeitäquivalente (FTEs) mehr zur Verfügung, als sie derzeit ausschöpft.
Um dem aktuellen und sich rasant entwickelnden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sollte das Augenmerk somit auf jene Mitarbeitenden gerichtet werden, die in Teilzeit gefördert und befördert werden können. Also auf viele Frauen und insbesondere Mütter.
Viele Frauen in den Talent-Pipelines … bis sie Mütter werden
Die Talent-Pipelines der Firmen sind zwar mittlerweile mit mehr Frauen bestückt. Bis sie Mütter werden und oftmals Teilzeit arbeiten. Dann ist an ein Weiterkommen im Unternehmen oft nicht mehr zu denken. Die Positionen mit Macht und Einfluss bleiben in Männerhand. Was aber auch bleibt: Der Ruf nach mehr Frauen im Management. «Sie wollen halt nicht», sagt man dann ganz oben. «Wir wären schon offen gewesen!».
Stimmt so nicht ganz. Mehr Offenheit wäre nämlich tatsächlich ein «Game Changer». Mehr Offenheit für eine Annäherung der Geschlechter in Sachen Arbeitszeit und für neue Karrieren. Diese zwei Faktoren könnten den Status Quo tatsächlich und endlich nachhaltig ändern.
1—Der Ausgleich von bezahlter und unbezahlter Arbeit
Das ewig alte ist auch das ewig neue Thema: Männer und Frauen arbeiten gleich viel. Der Unterschied liegt jedoch zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit. Würden wir die Arbeitspensen von Männern und Frauen angleichen, würden wir den hiesigen Teilzeit-Geschlechtergraben verkleinern.
Gewusst? Männer und Frauen arbeiten eigentlich gleich viele Stunden. Bloss leisten viele Frauen mehr unbezahlte Arbeit. Nämlich genau 11.2 Stunden mehr pro Woche. Hier braucht es bezahlbare externe Kinderbetreuung, Tagesschulen und ganz wichtig: Männer, welche die Hälfte der unbezahlten Arbeit der Frauen übernehmen. Mega spannend: Würden Männer Letzteres tun, hätten Frauen 5.6 Stunden pro Woche mehr Zeit, die sie in bezahlte Arbeit investieren könnten.
2—Flexibilisierung in punkto Mindset – auch in Bezug auf Karrierenormen
Wir reden hier von wahrer Work Life Integration, Life-Cycle-Modellen, Trust-based-Leadership und natürlich auch von New Work.
Unternehmen, die konservative Werte und Strukturen haben, während sich um sie herum der Arbeitsmarkt rasant verändert, wirken wie Don Draper, der sich 2023 zurechtzufinden versucht. Sie stecken in den 50ern fest – der Mann arbeitet Vollzeit, die Frau reduziert das Pensum oder bleibt ganz daheim.
Für viele Unternehmen ist Vollzeitarbeit nach wie vor die Norm, um auf dem Karriereleiterli nach oben zu steigen. Jüngere Generationen (ja, auch Männer und nein, nicht nur Eltern) sind jedoch nicht mehr bereit, Vollzeit zu arbeiten. Oder nach dem herkömmlichen Modell zu leben und zu arbeiten. Sie verlangen nach Egalität. Egalitäre Beziehungen, egalitäre Strukturen am Arbeitsplatz. Für Unternehmen sind solche Massnahmen ein Game Changer.
«Elternschaft soll für beide Geschlechter als übliches Lebensereignis angesehen werden. Das bedeutet, Männer auch als Väter wahrzunehmen. Und Frauen, statt als potenzielle Mütter mit «Ausfallrisiko» auch als potentielle Karrierefrauen.»
–Ines Hartmann, Co-Direktorin CCDI, HSG
Best Practice: Wie die Migros aktiv die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei Frauen fördert.
Die Migros-Gruppe ist mit 98’000 Mitarbeitenden, die sich auf 100 verschiedene Unternehmen verteilen, die grösste private Arbeitgeberin der Schweiz. Und als solche ist die Förderung von Arbeitskräften – auch in Teilzeit – nicht nur wichtig für die Migros, sondern auch für das Wirtschaftswachstum der Schweiz. Grund genug, hier eine Vorreiterrolle zu übernehmen.
Wie also macht es die Migros?
Die Arbeitgeberattraktivität (what a word!) wird gesteigert, indem man allem voran versteht, was in den Frauen hierzulande vorgeht.
Viele Mütter entscheiden sich nämlich aufgrund gesellschaftlicher Erwartungen, teurer Kinderbetreuung und den Auswirkungen des aktuellen Steuersystems für Teilzeitarbeit.
Zweitens gilt es, Wahlmöglichkeiten bei der Arbeitsgestaltung zu bieten, um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. Gemäss der Studie «Strategien zur Bewältigung des Arbeitskräftemangels», die 2023 vom Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) veröffentlicht wurde, legen die Arbeitnehmenden bei der Suche nach einer neuen Stelle nämlich vor allem Wert auf die freie Wahl ihres Arbeitsortes (59%) und auf flexible Arbeitszeiten (64%).
«Im Sinne der Gleichstellung ermöglicht die Migros Teilzeitarbeit für alle. So ist die Vereinbarung von Privatleben und Beruf für alle möglich: Wir ermöglichen zum Beispiel Vätern, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen oder Mitarbeitenden, ihrer privaten Passion nachzugehen.»
Head HR Project and Transformation Management, Migros-Gruppe
«Unser Effort für die Akzeptanz im Management von Massnahmen zur Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf haben bereits Früchte getragen: Im Bereich Operations werden Stellen konsequent 60-100% ausgeschrieben und es gibt Migros-Filialen, welche im Top Sharing geführt werden.»
Advance und das Kompetenzzentrum für Diversität & Inklusion der Universität St. Gallen veröffentlichen jährlich den Gender Intelligence Report, welcher beleuchtet, wie es um die Entwicklung der Geschlechterdiversität in Schweizer Unternehmen steht. Und weil das Bestreben nach mehr Frauen in Führungspositionen entsprechende Rahmenbedingungen, also Vereinbarkeitsmassnahmen, bedingt, machen Tadah, Advance und das Compentence Centre for Diversity & Inclusion der Universität St. Gallen mit dem Newsletter «Vereinbarkeitsbarometer» gemeinsame Sache.