Mom2Mom: Anna Lechmann.

 In unserer Artikel-Reihe „Mom2Mom“ gibt eine Mutter der nächsten das Wort. Gestartet sind wir in Zürich, dann ging die Reise vom Bündnerland über das Fürstentum Liechtenstein und den Walensee wieder zurück in die Stadt Zürich – zu Anna. Sie hat zwei Töchter mit nur einem Jahr Altersunterschied. Und hat unsere Fragen zu Vereinbarkeit und Muttersein beantwortet. Aber lest selbst. 

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Anna Lechmann
lebt mit ihren zwei Töchtern Aita (3) und Luzia (2) in Zürich. Die ursprüngliche Geologin arbeitet 60% beim Kanton Zürich bei der Abteilung Gewässerschutz (Grundwasser und Wasserversorgung).

Tadah: Wie hat sich Dein Leben verändert, als Du Mutter wurdest?

Bevor ich Kinder hatte, wohnte ich in einer WG und war praktisch jeden Abend unterwegs mit Freunden. Dies alles, ohne Rücksicht auf jemanden nehmen zu müssen. Mein Leben als Mutter hat sich insofern geändert, dass ich mich selbst und auch die Partnerschaft mit meinem Freund hinten anstellte. Die Kinder haben Priorität – ich will, dass es ihnen gut geht. Ich merke dies insbesondere auch an der Pflege von Freundschaften und der Partnerschaft; ich musste Prioritäten setzen, die Häufigkeit der Treffen reduzieren, entscheiden, wen ich jetzt wirklich sehen will und kann. Ich versuche immer noch, mir den Freiraum zu schaffen, mich mit meinen Freunden zu treffen. So bin ich ausgewogener, insbesondere wenn ich mit meinen Kindern zusammen bin.

Findest Du Elternratgeber wertvoll? Und wenn ja, welche?

Meine Ratgeber habe ich in meinem direkten Umfeld. Ich spreche mit meinen Eltern, Schwestern, Freunden.

Welchen Ratschlag würdest Du einer Mutter geben, die ihr erstes Kind erwartet?

Keinen. Wenn die werdende Mutter konkrete Fragen hat, wie ich etwas gemacht habe, oder wie ich es erlebt habe, erzähle ich das gerne. Jede Mutter erlebt die Schwangerschaft, die Geburt, den Start in das Familienleben anders, da können manchmal auch gut gemeinte Ratschläge verunsichern. Ich finde den Austausch sehr wichtig, aber jede Mutter soll sich den Rat dort holen, wo sie sich geborgen fühlt und Kraft draus schöpfen kann.

Wann und warum wusstest Du, dass der Vater Deiner Kinder der Vater Deiner Kinder werden wird?

Ich wusste schon lange, dass ich Kinder will, auch dass ich das mit meinem Freund will. Wir sind schon seit über zehn Jahren zusammen.

«Ich geniesse meine Zeit für mich und weiss, dass wenn ich nicht da bin, jemand da ist, den meine Kinder sehr gerne haben.»

Hast Du je gedacht: Das schaff ich nicht? Und wenn ja, in welcher Situation? Und wie hast Du sie gemeistert?

Das habe ich häufig. Die Situationen kommen teilweise so schnell, wie sie wieder gehen. Es reicht, mit dem linken Fuss aufzustehen, zur Arbeit zu müssen, die Kinder in die Kita zu bringen. Natürlich gibt es auch die grösseren Krisen, welche sich bei uns eher auf die Partnerschaft auswirken. Bis jetzt haben wir es immer überwunden. In solchen Situationen muss ich mich anderen anvertrauen, unterschiedlichen Input bekommen. So kann ich durchatmen und die Situation relativieren: Was schaffe ich nicht, was ist schlimm? Dann kann man kleine, konkrete Schritte machen, um das Problem anzugehen und im besten Fall zu lösen.

Hast Du manchmal ein schlechtes Gewissen Deinen Kindern gegenüber?

Dass ich eine gewisse Zeit (Arbeitstage, freie Abende, ein freies Wochenende) nicht mit meinen Kindern verbringe, macht mir kein oder nur selten ein schlechtes Gewissen. Ich geniesse meine Zeit für mich und weiss, dass, wenn ich nicht da bin, jemand da ist, den meine Kinder sehr gerne haben, egal ob es sich hierbei um Vater, Tanten, Freunde oder die Kita handelt.

Was mir häufiger ein schlechtes Gewissen bereitet, ist, wenn ich keine Geduld mit ihnen habe. Ich versuche deshalb meine Tage mit ihnen so zu gestalten, dass wir keinen Stress haben, und ich keinen Grund habe, ungeduldig zu sein. Die Auszeit für mich, ohne Kinder, hilft mir dabei.

 

Darf man als Mutter lügen? Und wenn ja, wann und wieso?

Ich versuche, nicht zu lügen, ertappe mich aber manchmal trotzdem dabei. Geht es um grundlegende und ernste Themen, lüge ich nicht. Mit Kindern kann man solche Themen gut besprechen. Aber die kleinen Alltagslügen, welche mir zum Beispiel nach einem anstrengenden Tag helfen, einem Konflikt auszuweichen, rutschen mir dann trotzdem ab und zu raus. 

Euer Lieblingskinderbuch?

Im Moment sind dies Bücher von H. U. Steger (Reise nach Tripiti, Wenn Kubaki kommt) und von Helme Heine (Freunde, der Wecker, Das schönste Ei der Welt). 


Wie sieht ein idealer Tag mit Deinen Kindern aus?

Ein idealer Tag ist ein alltäglich gelebter Tag: Wir stehen auf, frühstücken, spielen und singen. Dann gehen wir raus: einkaufen oder auf den Spielplatz oder in die Badi. Am Mittag gehen wir nach Hause, essen zu Mittag und die Kinder machen einen Mittagsschlaf. Dann gibt’s Zvieri und wir gehen nochmal raus bis zum Nachtessen. Danach spielen wir und schauen Bücher an. Für mich ist dieser Alltag mit seiner klaren Struktur sehr wichtig. Wir sind so alle gelassener, ruhiger und besser gelaunt.

Wie einer «dieser» Tage?

Einer “dieser“ Tage kann vom Ablauf her genau derselbe Tag sein, aber irgendwie ist der Wurm drin  – häufig bei mir selber. Meine Tochter Aita sagt dann: “das git’s mengisch“. Sie hat recht.

 

Welche Charaktereigenschaften soll Dein Kind von Dir haben?

Da habe ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht, da meine Kinder noch eher klein sind. Ich lasse mich einfach überraschen.

Wofür gibst Du am meisten Geld aus?

Für Essen. Zuhause, aber auch auswärts mit meinen Freunden.


Wie ähnlich bist Du Deiner eigenen Mutter?

Je älter ich werde, desto mehr erkenne ich, was ich von meiner Mutter übernommen habe, sowohl im Positiven als auch im Negativen. Gerade mit den Kindern merke ich noch mehr, wie sehr wir uns in gewissen Aspekten ähnlich sind, da meine Erziehung durch meine Mutter auch die meine mit meinen Kindern prägt.


Was inspiriert Dich?

Der Austausch mit anderen Menschen, vor allem mit meinem unmittelbaren Umfeld wie Freunden und Familie. Ich merke, dass ich Probleme ansprechen und Kraft daraus schöpfen kann.

Was macht Dich nervös?

Im Moment die Wohnungssuche in Zürich. Wir wohnen in einem Abbruchgebäude und unser Mietvertrag ist deshalb befristet. Zudem wird Aita nächstes Jahr eingeschult. Wir würden gerne in der Stadt bleiben, da wir hier unser ganzes Umfeld haben und uns wohlfühlen.

Wie und wo tankst Du für den nächsten Tag Energie?

Beim Nachtessen mit Freunden oder Familie, bei einem guten Buch abends vor dem Schlafengehen oder bei einem guten Krimi im Fernsehen.

«Mit den zwei Mädchen war das Pendeln nicht mehr machbar für mich, da ich nur noch am Optimieren war.»

Hat sich Deine Einstellung zu Deiner Karriere geändert, seit Du Mutter bist?

Nach dem Doktorat habe ich eine Stelle als Geologin in einem Ingenieurgeologie-Büro in Chur angenommen. Das hat mir gefallen und ich war, trotz langem Arbeitsweg von 1.5 Stunden, sehr zufrieden. Mit den zwei Mädchen war das Pendeln nicht mehr machbar für mich, da ich nur noch am Optimieren war. Also habe ich mich nach einer neuen Stelle umgeschaut und die beim Kanton Zürich bekommen. Auch hier gefällt es mir sehr gut. Es ist anspruchsvoll und spannend. Ich habe mich bis jetzt immer auf mein Bauchgefühl verlassen, so haben sich die Arbeitsstellen immer gut ergeben.

Ich hatte nie den Anspruch, Karriere zu machen, darum hat sich für mich als Mutter nicht viel geändert. Ich arbeite sehr gerne und bin motiviert, umso mehr seit ich Kinder habe. Es ist eine gute Abwechslung, die mir Kraft gibt, den Familienalltag zu meistern. Ich arbeite jetzt 60% und bevor ich Kinder hatte 80%. Wenn sie älter sind, werde ich irgendwann wieder aufstocken.

«Zu Beginn als Familie fehlt eine längere Elternzeit, die man sich nach Belieben aufteilen kann.»

Findest Du, man kann in der Schweiz Familie und Beruf gut unter einen Hut bringen? 

In meiner Branche geht das glücklicherweise gut. Ich habe sehr gute Arbeitsbedingungen, mein Partner ebenso. Ich finde allerdings, dass Familien unter grossem Zeit- und Gelddruck leiden.

Was fehlt? Was müsste Deiner Meinung nach anders sein?

Zu Beginn als Familie fehlt eine längere Elternzeit, die man sich nach Belieben aufteilen kann. Danach fehlt die Zeit im Alltag: Flexiblere Arbeitsbedingungen sind nötig, damit jede Familie ihren Weg durch den Alltag meistern kann.

Wir wohnen in Zürich, in einem Abbruchobjekt. Es ist praktisch unmöglich, bezahlbaren Wohnraum zu bekommen. 

Wie löst Ihr die Betreuung der Kinder?

Ich habe die Mädchen zwei Tage die Woche. Mein Freund hatte sie bis vor kurzem einen Tag pro Woche und sie gingen zwei Tage in die Kita. Mein Freund hat sich entschieden, seinen Tag mit den Mädchen abzugeben, damit er mehr Zeit für sich hat. Er hat seine Arbeit und mit anderen Freunden eine Werkstatt, Garten und Boulderhalle. Das war eine dieser grösseren Krisen, von denen ich bereits sprach. Ich hatte kein Verständnis für seine Entscheidung. Im Nachhinein war es aber doch gut. Die Mädchen gehen so gerne in die Kita und er ist gelassener, wenn er mit uns zusammen ist. So profitieren alle davon.

Welcher Mutter möchtest Du das Wort übergeben und wieso?

Ursina Giger – eine tolle Frau und erfolgreiche Singer-songwriterin, welche soeben ihr zweites Kind bekommen hat.